05.09.2007

"Gerecht verteilen" - nur wie?

Guten Tag,

diese schöne Geschichte spricht mir als einem der führenden Experten für Variable Vergütungs- und Anreizsysteme aus dem Herzen. Wie oft wird insbesondere von Arbeitnehmervertreterseite eingebracht, die Variable Vergütung habe "sozial gerecht" oder "ausgleichend" gestaltet zu sein. Durch Maßnahmen der Belegschaft erzielte Profit-Verbesserungen müssten "gleich verteilt" werden.

Ich werde immer der Überzeugung sein, dass soziale Aspekte grundsätzlich richtig, gut und beachtenswert sind - aber nicht bei der Gestaltung von leistungs- oder erfolgsorientierten Vergütungssystemen.

Viel Spaß beim Lesen!

Mit gutem Gruß

Gunther Wolf

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Variable Vergütung – Was heißt überhaupt "Gerechte Verteilung"?
Eine Parabel

Es waren einmal 10 Männer, die gingen jeden Tag miteinander essen. Die Rechnung betrug für alle zusammen jeden Tag 100 EURO. Die Gäste zahlten ihre Rechnung unter Gesichtspunkten der gerechten Verteilung: Die ärmsten vier zahlten nichts, der Fünfte zahlte einen EURO, der Sechste 3 EURO, der Siebte 7 EURO, der Achte 12 EURO, der Neunte 18 EURO und der Zehnte, der Reiche, zahlte 59 EURO.

Das ging solange gut, bis der Wirt seine Rechnung auf 80 EURO reduzierte.

Wie bisher sollten die ersten vier ihren "free lunch" bekommen. Wie jedoch sollten die 20 EURO auf die restlichen sechs aufgeteilt werden? Bei Gleichverteilung je Kopf würde jeder 3,33 EURO weniger zahlen. Doch dann bekäme der Fünfte und Sechste noch Geld dafür, dass sie zum Essen gehen. Das konnte nicht sein.

Also schlug der Wirt vor, dass jeder prozentual so viel weniger zahlen sollte, wie er insgesamt beisteuerte. Demnach würde der fünfte Gast, ähnlich wie die ersten vier, ab sofort ein kostenloses Mittagessen erhalten. Der Sechste zahlte 2 statt 3 EURO, der Siebte 6 EURO, der Achte 9 statt 12, der Neunte 14 statt 18. Und der Zehnte, der Reiche, 49 statt 59 EURO. Jeder der sechs kam günstiger weg als vorher, und die ersten vier aßen nach wie vor kostenlos.

Doch dann gab es Protest. "Ich habe nur einen von den 20 EURO bekommen", monierte der Sechste Gast und zeigte auf den Reichen: "Er aber kriegt 10 EURO!"

"Stimmt", rief der Fünfte, der nichts mehr zahlen sollte. "Ich hab' nur 1 EURO gespart, und der spart zehnmal soviel wie ich." "Moment mal", riefen da die ersten vier aus einem Munde. "Wir haben überhaupt nichts bekommen. Das System beutet die Ärmsten aus!"

Und die neun gingen gemeinsam auf den Zehnten los und verprügelten ihn. Am nächsten Tag tauchte der zehnte Gast nicht mehr auf.


Quelle: MANAGER MAGAZIN 06/2006

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