Guten Tag,
das BAG (Urteil des BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR – 721/05) hat in einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung (NZA 2007, 87 ff) umfassend zu den inhaltlichen und formellen Voraussetzungen für wirksame Widerrufsklauseln in Arbeitsverträgen Stellung genommen.
1. Allgemeine Grundsätze zur Zulässigkeit von Widerrufsklauseln
In dem Urteil vom 11.10.2006 führt das BAG seine bisherige Rechtsprechung zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Vereinbarung eines Widerrufsvorbehaltes im Arbeitsvertrag fort. Danach ist ein Widerrufsvorbehalt bezüglich Vergütungsbestandteile zulässig, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:
1. der widerrufliche Teil des Verdienstes liegt unter 25 % des Gesamtverdienstes
2. der Tariflohn wird nicht unterschritten
Soweit darüber hinaus Zahlungen als widerruflich vereinbart werden, ist dies bis zur Grenze von 30 % des Gesamtverdienstes zulässig, soweit diese Zahlungen nicht eine unmittelbare Gegenleistung für die Arbeitsleistung darstellen, sondern Ersatz für Aufwendung sind, die ansonsten vom Arbeitnehmer zu tragen sind.
Das BAG erkennt mit diesen Grundsätzen das Bedürfnis der Arbeitgeber an flexiblen Vergütungsbestandteilen an und sichert andererseits mit den vorgegebenen finanziellen Grenzen im Interesse der Arbeitnehmer den Kernbereich der tariflichen Vergütung.
2. Formelle Anforderungen an Widerrufsklauseln aufgrund des AGB-Rechts
Problematisch für Arbeitgeber sind allerdings die Feststellungen des BAG zu den formellen Anforderungen an eine solche arbeitsvertragliche Widerrufsklausel. Solche Widerrufsklauseln unterliegen seit dem 01.01.2002 bzw. bei Verträgen, die vor dem 01.01.2002 geschlossen wurden, seit dem 01.01.2003 den Regelungen des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wie sie in den §§ 305 ff BGB enthalten sind. Das BAG verlangt nun, dass Voraussetzung und Umfang des Widerrufs sich aus dem Wortlaut der Widerrufsklausel selbst ergeben muss. Andernfalls bedeutet die Vereinbarung einer solchen Klausel eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers, da er aus der Klausel selbst nicht Angemessenheit und Zumutbarkeit des Widerrufs erkennen kann. Bei der Festlegung der Gründe, die ihn zum Widerruf berechtigen sollen, räumt das BAG dem Arbeitgeber zwar einen weiten Spielraum (Leistungsmängel des Arbeitnehmers bis fehlender wirtschaftlicher Erfolg des Arbeitgebers) bis zur Grenze der Willkür ein. Enthält die Klausel allerdings keinerlei Vorgaben, verstößt sie gegen §§ 308 Nr.4, 307 BGB und ist deshalb unwirksam. Der Arbeitgeber darf dann die Leistung, obwohl sie ausdrücklich als widerruflich bezeichnet wurde, eben nicht widerrufen.
Diese Rechtsprechung des BAG steht in einer Reihe mit einer Vielzahl von Entscheidungen, die eine Überprüfung von arbeitsvertraglichen Regelungen anhand des AGB—Rechts zum Gegenstand haben. Vor dem 01.01.2003 unterlagen Arbeitsverträge nicht den so genannten AGB-rechtlichen Bindungen und wurden vom BAG mit einem anderen, grundsätzlich am Einzelfall orientierten und die konkrete Arbeitgeberentscheidung auf ihre Zulässigkeit hin überprüfenden Maßstab gemessen.
Was dies bedeutet, wird an dem entschiedenen Fall deutlich. Hier sah der Arbeitsvertrag lediglich vor, dass die widerrufliche Leistung eben frei, d.h. jederzeit unbeschränkt widerrufen werden kann. AGB-rechtlich ist dies seit dem 01.01.2003 unzumutbar und damit unwirksam. Vor dem 01.01.2003 hätte das BAG geprüft, unter welchen konkreten Voraussetzungen der streitige Widerruf erfolgte und ob diese Voraussetzungen einen Widerruf rechtfertigen. Im entschiedenen Fall erfolgte der Widerruf vom Insolvenzverwalter des Arbeitgebers wegen der wirtschaftlichen Notlage. Dies hätte nach der damaligen Rechtslage einen Widerruf gerechtfertigt.
3. Behandlung von Altverträgen, d.h. Arbeitsverträge, die vor dem 01.01.2002 geschlossen wurden
Die Besonderheit des entschiedenen Falles bestand darin, dass der Arbeitsvertrag mit seiner Widerrufsklausel aus einer Zeit vor dem 01.01.2002 stammte. Als die Klausel formuliert wurde, entsprach die Klausel der damaligen Rechtsprechung. Eine Anwendung der strengen Regeln des AGB-Rechts, wie sie seit dem 01.01.2003 auch für diese Altfälle grundsätzlich geboten ist, hätte die oben beschriebene, für den Arbeitgeber schwer hinzunehmende Konsequenz, dass er Leistung nicht widerrufen dürfte, und zwar allein deshalb, weil vom Gesetzgeber durch das AGB-Recht nachträglich formelle Anforderungen an eine solche Klausel gestellt wurden, die bei Abschluss des Vertrages nicht vorhersehbar waren. Das BAG trug diesem Umstand Rechnung und nahm eine verfassungskonforme, die Rückwirkung des AGB-Rechts einschränkende Vertragsanpassung vor. Das BAG stellte die hypothetische Frage, was die Parteien wohl vereinbart hätten, wenn sie die Unwirksamkeit der fraglichen Klausel gekannt hätten. Das BAG unterstellt dann, dass die Parteien in diesem Fall zumindest den Widerruf für den Fall der wirtschaftlichen Verluste vereinbart hätten. Im vorliegenden Fall „rettet“ das BAG damit den Widerruf des Arbeitgebers.
4. Konsequenz für Arbeitgeber
Arbeitsverträge müssen einer eingehenden AGB-rechtlichen Überprüfung unterzogen werden. Bei der Abfassung von neuen Arbeitsverträgen versteht sich das von selbst. Bei Altverträgen muss geprüft werden, welche Risiken hier bestehen und ob hier Maßnahmen zur Risikominimierung angezeigt und möglich sind.
Mit gutem Gruß
Gunther Wolf
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